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Reden zur grünen Hochzeit

Bruder / Schwester


Eine Tischrede wird traditionell vom Brautvater gehalten. Doch auch die Mutter
der Braut oder die Mutter des Bräutigams sind heute >> Manns << genug, sich für
eine Rede zu erheben. In der Regel werden die Reden während des Hochzeitsessens
dargebracht. Aber kein Gast mag auf nüchternen Magen eine Rede hören!
Deshalb beginnt die Redezeit immer, wenn ein Gang abserviert ist, und vor der
nächsten Rede wird wieder gegessen. Wenn nur eine Rede gehalten wird, hört
man sie vor dem Dessert. Gewöhnlich ist der Brautvater der erste Redner, dann
folgen der Vater des Bräutigams und andere Redner und zum Schluss der Bräutigam
oder die Braut mit einem Dankeswort.


THEMA Mistel - Magie
TON scherzhaft, persönlich
REDNER Bruder der Braut

Liebe Melle, lieber Theo, liebe Verwandte, liebe Freunde!

In der Juristerei wird immer wieder die Schuldfrage gestellt: Wer ist daran schuld,
dass A auf B traf und die beiden einen zusammenprall hatten, oder so ähnlich.
Nun denn, lassen Sie uns, liebe Hochzeitsgäste, dieser Frage nachgehen. Viele
denken, ich wäre daran schuld, dass Theo und Melle sich kennen gelernt haben.
Weit gefehlt! Dort sitzt die Wohlwollende Übertäterin, Theos Tante Heidi Breid-
scheid. Seht nur alle hin zu ihr! Hätte sie dem armen Studenten nicht finanziell
unter die Arme gegriffen, hätte er nicht auf Kongresse gehen können, und
dann hätten wir uns vielleicht nie kennen gelernt.

Das war 1999 auf dem Physikerkongress in Madrid. Die gemeinsame Liebe zur
experimentellen Physik und zum spanischen Rotwein, der Rioja war aber auch
ein süffiger Tropfen, ließ ein angeregtes Gespräch entstehen. Wir tauschten
Adressen aus und schrieben uns gelegentlich E-Mails. Theo zog es nach Texas,
mich nach Basel und von dort aus nach München, wo ich mit meinem lieben
Schwesterlein eine Zeit lang eine Wohnung teilte.

Dann führte die Schicksalgöttin Regie und dirigierte Theo nach München. Da er
dort niemanden außer mir kannte, sehen wir uns gelegentlich auch zu dritt,
Doch zwischen den beiden hat es nicht gefunkt, die Schicksalsgöttin war wohl
anderweitig mit Liebesdingen beschäftigt. Als ich dann mit Irene, meiner Frau,
zusammenzog, nahm die Göttin das schicksalsschwere Zepter endlich in die
Hand. Bei unserer House- warming – Party, die auf den Silvesterabend legten,
trafen Theo und Melle in feucht –fröhlicher Runde wieder aufeinander. Einem
alten Brauch zufolge küssten sich alle paare – auch Tanzpaare – zum Jahres-
wechsel unter dem Mistelzweig, so auch die beiden Singles, diese jedoch recht
verhalten auf die Wangen. Trotzdem: dabei hat es wohl bei ihm gefunkt.

Theo meldete sich nun regelmäßig bei Melle und lud sie zu Ausflügen ein, auch
mal ins Kino und ins Theater oder in die Oper, oder er führte sie zum
Essen aus – er machte ihr also, ganz Gentleman der alten Schule, Klassisch den
Hof. Das fiel selbst Melle auf, die bislang für solche Dinge, bitte entschuldige,
Melle, blind wie ein Huhn war. Theo nahm nun das Schicksal selbst in die Hand.
Und da Liebe bekanntlicherweise durch den Magen geht, lud der begnadete
Hobbykoch Melle zu einem lukullischen Mahl zu sich nach Hause ein. Er servierte
Melles Lieblingsesse, kredenzte ihren Lieblingswein und tanzte mit ihr bei
Kerzenschein unter einem Mistelzweig... Auch Physiker können abergläubisch
sein! Und es gab Zeiten, auch erst vor Kurzem, in denen solch ein Glaube noch
geholfen hat!

Haben die Hochzeitsgäste noch Fragen? Damit ist die Rede den allerbesten
Glückwünschen für meine Schwester und meinen besten Schwager – Freund Theo
Geschlossen. Das frisch vermählte Paar ist somit in den glücklichen Ehestand
Entlassen. Alles gute für euch beide!

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TIPP  Wenn sie sich für das ablesen einer Rede entscheiden, dann ist es wichtig, diese zuvor einige Mal – vielleicht gar vor >> Publikum << - zur Übung zu lesen, damit Sie die stellen, an denen Sie ins Stocken kommen, kennen und darauf vorbereitet sind, oder auch noch ändern können.


THEMA dem Brautpaar
TON besinnlich, heiter
REDNER Bruder der Braut

Liebe Judith, lieber Marco, liebe alte und neue Verwandte, liebe Freunde!

Als die Geschwisterschar einen Redner wählte, fiel die Wahl auf mich, ganz nach
dem Motto: >>Sei nicht feige, lass mich auf den Baum!<< Da ich erwiesenermaßen
weder ein Mensch großer Worte noch ein geborener Redner bin, aber dennoch
unserer lieben Schwester und ihrem sympathischen Mann liebvolle, wohlge-
setzte Worte mit auf ihren Weg als Ehepaar geben möchte, erteile ich nun einem
Dichter das Wort. August Friedrich Ernst Langbein heißt er. Wahrscheinlich
kennen auch die Literaturexperten unter euch diesen Dichter nicht, ich kannte
ihn natürlich erst recht nicht. Aber er hat uns Gedanken zur Heirat mitgeteilt,
die unser Brautpaar beherzigen sollte, besser spät als nie Also:

Das Großvaterlied

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da wusste man nichts von Mamsell und Madame;
Die züchtige Jungfrau, das häusliche Weib,
Die waren echt deutsch noch an Seel’ und an Leib.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da herrschte noch sittig verschleierte Scham;
Man trug sich fein ehrbar und fand es nicht schön,
In griechischer Nacktheit auf Straßen zu gehen.

Als der Großmutter nahm,
Da war ihr die Wirtschaft kein widriger kram;
Sie las nicht Romane, sie ging vor den Herd,
Und mehr war ihr Kind als ein Schoßhund ihr wert.
Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da war es ein Biedermann, der sie bekam;
Ein Handschlag zu jener hochrühmlichen Zeit
Galt mehr als im heutigen Leben ein Eid.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da rief noch der Vaterlandsfreund nicht vor Gram:
O gäbe den Deutschen ein holdes Geschick
Die glücklichen Großvaterzeiten zurück!

So weit Herr Langbein. Er hat das Gedicht vor etwa 200 Jahren geschrieben.
Interessant, nicht? Wir denken doch immer, damals wäre die Welt noch in Ord-
nung gewesen. Natürlich erwarten wir jetzt, dass Judith gleich morgen früh alle
bauchfreien Tops aus ihrem Schrank holt und in die Altkleidersammlung gibt
und dass sie ihren Laptop gegen ein Kochbuch eintauscht, um ein echt deutsches,
häusliches Weib zu werden. Und Marco stellt sich vor den Spiegel und übt den
Blick des echten Biedermanns, das bitte ich mir aus, und dass er mich ab heute
mit einem hochrühmlichen Handschlag begrüßt, ist wohl selbstverständlich!

Scherz beiseite. Wir alle sind froh, dass es die Rollenzwänge, die das alte Gedicht
beschreibt, nicht mehr gibt. Bleibt, wie ihr seid, ihr zwei, lasst euch nichts vor-
schreiben und werdet glücklich!

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TIPP  besonders bei Gedichten ist mehrmaliges lautes Übungslesen wichtig, damit Sieden Rhythmus beherrschen, die Betonungen richtig setzen und bei mehreren Strophen nicht außer Atem kommen. Sprechen Sie Gereimtes immer langsam und mit Bedacht.


Reden zur grünen Hochzeit

Patenonkel / Patentante


THEMA Dauersingle
TON locker, liebevoll
REDNER Patentante

Liebe Simone, lieber Jan, liebe Hochzeitsgäste!

Eine Anekdote frei nach dem Motto: Wie das Leben so spielt. Der Heiratswütige
Kommt am Freitag zum Pfarrer und bestellt für Montag die Hochzeit. >>So rasch
lässt sich das nicht bewerkstelligen<<, wendet der Pfarrer ein. >>Machen Sie, was
Sie wollen!<< erwidert der Ungeduldige. >>Ich fange am Montag an.<<

So ähnlich ist es wohl dem Standesbeamten mit unserem Jan ergangen. Als über-
zeugter Dauersingle, so nennt man die Heiratsscheuen wohl heutzutage, konnte
es ihm, dem Doktoranden der Chemie, dann plötzlich nicht schnell genug gehen.

Also, es war einmal ein Chemiedoktorand, der völlig auf sein Studium konzen-
triert und an Frauen scheinbar überhaupt nicht interessiert war. Ungebunden zu
sein bedeutet für ihn auch Freiheit. Die Freiheit, keine Rücksicht auf einen Partner
nehmen zu müssen und mehr Zeit zu haben – für das Studium, die Promotion,
für sich und für seinen Freundeskreis. Mich als Patentante erfüllte das, zugegeben,
mit etwas Unbehagen. Denn ich wünschte mir doch sehr, dass Jan eine patente
Frau findet, mit der er die Aufs und Abs des Lebens teilen und gemeinsam meis-
tern kann.

Darauf angesprochen, sagte der hoch gewachsene Doktorand, dass er gar nicht
wisse, wo er die Zeit für eine feste Beziehung hernehmen sollte. Seine Arbeit
nehme ihn doch viel zu sehr in Anspruch. Und darüber hinaus arbeite er wochen-
tags an seinem Institut, in seiner wenigen Freizeit treffe er sich mit Freunden,
um ins Kino zu gehen oder einfach bei einem Bier, um zu plaudern.

Beim Bier hat er sich eines Abends mit einer Studienkollegin, die rein zufällig zu
der Runde stieß, verplaudert. Und das hat ihm so sehr gefallen, dass er vom
Plaudern mit ihr nicht genug bekam. Und damit dann künftig keiner mehr da-
zwischenplaudert, machte er ihr Kurs entschlossen einen Antrag, denn Zeit für
eine umständliche Werbung mit all dem romantischen Drumherum hatte er
nicht, denn er war ja noch immer sehr mit seiner Promotion beschäftigt. Und so
stand er dann mit seinem ungeduldigen Ansinnen beim Standesbeamten. Uns,
seine Familie, hatte er natürlich zuvor, so wie wir ihn kennen und auch lieben,
kurz und knapp informiert.

Und um Liebe geht es heute. Ich wünsche euch, liebe Simone und lieber Jan, dass
die innigen, aufrichtigen Gefühle, die euch verbinden, euch alle Herausforde-
rungen des Lebens miteinander bestehen lassen. Denn ihr scheint wie füreinan-
der geschaffen, und daher bedurfte es auch keiner langen Probezeit. In der Ehe
lassen sich so oder so viele Dinge erst gemeinsam erproben. Und dabei ist gans
wichtig das Gespräch. Womit bei euch ja alles begann.

Ich wünsche euch viel Glück und viele gute Gespräche!

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THEMA Zahlenmystik
TON locker, liebevoll
REDNER Patenonkel

Liebe Nina, lieber Marcel, verehrte Gäste,

wie alle wissen, die mich kennen, bin ich ein Zahlenmensch. Durch und durch
ein Zahlenmensch. Alles, was sich in Zahlen fassen lässt, begeistert mich und regt
mich zum Nachdenken an Zahlen langweilen die meisten Leute, und dennoch
wohnt ihnen etwas Magisches inne. Eine Magie, die uns Menschen seit Jahrtau-
senden beschäftigt, bis zum heutigen Hochzeitstag von Nina und Marcel. Eine
Magie, die ihrer beider Leben auch künftig durchziehen wird.

Die antike und mittelalterliche Magietradition wurde aus vielen Strömungen
gespeist, wobei persische, babylonische und ägyptische Überlieferungen die
Grundlage von so genannten wissenschaftlichen Systemen, also von geordneten
Vorschriften, Regeln und Bräuchen. So viel als Vorspann.

Eine Regel und ein Brauch schreiben der Zahl Sieben magische Qualitäten zu,
denn es ist durchaus kein Zufall, dass der christliche Gott die in sieben
Tagen erschuf. In Mythologie und Kirche gibt es gleich noch mehr davon: Sieben
Schöpfungstage, sieben magere sowie fette Jahre, sieben Sakramente, sieben
Todsünden, sieben Tugenden, siebenfältige gnade und anderes mehr. Das hat
das Volksgut gleich auf gegriffen und sieben Raben, sieben Geißlein und Sieben
auf einen Streich kreiert. Doch auch Philosophie und Wissenschaft lassen sich
nicht lumpen und kontern mit den sieben Weisen Griechenlands, den sieben
Weltwundern und den sieben freien Künsten.

Bevor ich nun noch die sieben Kurfürsten gegen die sieben Samurai an-
treten lasse und die sieben Schwaben in den Krieg mit den Sieben gegen Theben
schicke, löse ich meinen gordischen Zahlenknoten mit einem Zahlenknoten mit
einem Streich:

Marcel, mein lieber Patensohn, ist nicht nur an einem Siebten im siebten Monat
geboren, sondern auch an einem Siebten volljährig geworden – wie man merkt,
steckt da Methode dahinter – und heiratet seine charmante Braut an einem
Siebten in einem Jahr mit einer Sieben. Was will uns das sagen? Mit der Antwort
müssen wir uns sicher bis zum siebten Ehejahr gedulden, das doch das verflixte
sein soll.

Dennoch möchte ich mit Ihnen das Glas darauf erheben, dass das glücklich
strahlende Brautpaar künftig den siebten Sinn in allen Ehe – und Lebensfragen
hat und mit Siebenmeilenstiefeln in den siebten Ehehimmel strebt. Alles
siebenfach gute für euch beide!

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